Meine re:publica 13 – Tag 1

Meine re:publica begann mit Gunter Duecks Aufruf zum metakulturellen Diskurs. Mir gefällt seine Zuordnung bestimmter Weltbilder und damit verbundener Werthaltungen auf das Spiral Dynamics Stufenmodell. Demnach befinden wir uns gesamtgesellschaftlich gesehen in der „grünen“ Phase, die auf ein friedliches Zusammenleben in einer Gemeinschaft, in die sich jeder einbringen kann, abzielt. Jedoch Weh dem colatrinkenden steakessenden Plastiktütennutzer, der womöglich gerne Auto fährt. Neben den Grün-Weltbildlern gibt es etliche Personen , deren Weltbild dominant von  „blauen“ autoritären Strukturen oder  „orange-farbenen“ neoliberalen Strukturen geprägt sind. Ein Diskurs zwischen diesen „Weltbildträger_innen“ ist nahezu unmöglich, es kommt allenfalls zu einem Austausch à la „ich finde aber, dass das so richtig ist und das, was du sagst, ist falsch und völlig unmöglich.“ Zu einem unvoreingenommenen wohlwollendem und konstruktivem Austausch freier Menschen, die durch unterschiedliche Wertehaltungen geprägt sind, ruft Gunter Dueck aber in seinem Vortrag auf. Er bezeichnet dies als ethnokulturelle Empathie und fordert provokant „Sprich mit deinen Eltern und auch mit dem Nachbarn von der NPD!“ Die Fähigkeit zu ethnokultureller Empathie ist zentral für den Menschen am Übergang in die Wissensgesellschaft, an dem wir uns seiner Meinung nach derzeit befinden. Es braucht ein neues Menschenbild. Gunter Dueck beschreibt es in seinem Buch „Das Neue und seine Feinde“. Dort finden sich ab S. 278 f die Eigenschaften, die dieser neue Mensch im Idealfall besitzt: Kreativität, Originalität, Sinn für Humor, konstruktiver, freudiger Wille, positive Haltung zur Vielfalt des Lebens…

Später sollte mir noch ein Mensch, der diese Eigenschaften besitzt, begegnen: Laurie Penny. Ihr Vortrag über Cybersexism war absolut beeindruckend. Laurie Penny bezeichnet sich selbst als „Geek“. Nach ihrer Definition ist ein Geek ein kluger, neugieriger Mensch, der Dinge auch mal auf den Kopf stellt, um sie zu verstehen, jemand der angstfrei Dinge benennt und das Web als Ort von Partizipation und Wachstum nutzt.  Für Laurie Penny  ist das  Web ein Ort von Gleichheit, Transparenz und Freiheit (z. B. Freiheit der Rede und freier Austausch von Information).  Vielen Frauen schlägt jedoch, wenn sie das Web in einer solch freien und emanzipierten Weise nutzen, häufig geballter Frauenhass entgegen.  Diese Frauen und Mädchen werden  massiv beschimpft und bedroht. Und sie beschreibt, wie die Gesellschaft mit diesem Missstand umgeht. Keinesfalls müssen die Aggressoren mit Sanktionen rechnen, statt dessen wird den Bedrohten nahegelegt das Web zu meiden. Ein Indikator für solche Tendenzen ist für Laurie Penny ein Spruch wie  „Das Internet vergisst nie“. Sie sieht darin erschreckende Parallelen zu „Gott sieht alles! Keine deiner Sünden wird jemals vergessen sein!“, was jahrhundertelang verwendet wurde,um insbesondere Frauen und Mädchen an Teilhabe und an persönlichem Wachstum zu hindern. Wachsen kann aber nur, wer Dinge ausprobieren kann, wer Fehler machen und sich korrigieren darf – online und offline.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Meine re:publica 13 – Tag 1

  1. malou buelow schreibt:

    Herr Dueck ist ein wirklich sympathischer, kluger Erzähler und er hat natürlich recht mit dem Zank um Kleinkram (Stammtischgespräche = unendlicher Loop = Ethnozentrismus) und dass nicht das Ganze gesehen wird: Metakommunikation = miteinander reden hin zu einer Kompetenzgesellschaft im Prinzip. Die Durchführung oder der Weg dahin ist allerdings etwas ganz anderes…und löst sich nicht einfach über einen „Diskurs“ auf, glaube ich. Hunde und Katzen sprechen halt eine andere (Körper)Sprache.

    • sibyllewuerz schreibt:

      Das denke ich auch, dass der Weg in die „Kompetenzgesellschaft“, in der alle im freien Diskurs miteinander sind, nicht einfach ist. Und es gibt ganz bestimmt kein Patentrezept für den Weg dahin. Meiner Meinung nach wollte Gunter Dueck darauf hinaus, dass wir uns je nach Weltbild in unseren jeweiligen Blasen befinden, wo wir uns ausgesprochen gerne mit Menschen und Meinungen umgeben, die unser Weltbild teilen. Dadurch festigen wir unser Weltbild und werden wir selbstgerecht, weil wir zu wissen glauben, was das Richtige ist. Und schwupps gibt es nur noch das eine Richtig und im schlimmsten Fall werde ich zur „Gotteskriegerin meines Weltbildes“. Ich habe Gunter Duecks Vortrag als Appell gegen Selbstgerechtigkeit und für mehr Bescheidenheit in Bezug auf das eigene Weltbild und mehr Offenheit gegenüber den Andersdenkenden verstanden. Und irgendwie können sich auch Hunde und Katzen miteinander verständigen…

Hinterlasse einen Kommentar